Rückblick auf die Bits & Bäume 2018


Bits & Bäume?

Die dieses Jahr erstmals organisierte Konferenz „Bits & Bäume“ in Berlin unternahm den Versuch, Menschen aus der Umwelt- mit Menschen aus der IT-Szene an einem Ort zusammenzubringen. Dies gab es in dieser Form bisher noch nicht, da bisherige Veranstaltungen wie der Chaos Communication Congress und die Datenspuren und ihre Umwelt-Äquivalente im deutschen Raum kaum Themen-Überschneidungen hatten und wohl nur selten gegenseitig besucht wurden (meine steile Auftakt-These).

Sehr spannendes Wochenende, ohne Frage. Ich war schon seit der ersten Ankündigung sehr gespannt, wie das Programm und der Ablauf aussehen wird. Wie einige vielleicht wissen, beschäftige ich mich schon seit ein paar Jahren mit beiden Welten, d.h. sowohl mit Themen aus der Informatik, als auch interessehalber mit Umweltschutz und Klimaforschung.

Es ist seit einiger Zeit ersichtlich, dass diese beiden Themen in Zukunft gut miteinander harmonieren werden: erstens gibt es eine Menge thematischer Schnittstellen, wie bspw. Nachhaltigkeit durch effizientere digitale Prozesse sowie die Energieeffizienz von Hard- und Software. Zweitens ähneln sich die Problemfelder in ihren Komplexitätsgraden. Datenschutz und freie Software sind ähnlich komplexe, ungreifbare Aufklärungsthemen wie Klimawandel und nachhaltigeres Wirtschaften.

Leider leiden beide Felder etwas unter Image-Problemen. Auf der einen Seite die Daten-schützenden Spielverderber, die nicht verstehen wollen, dass man mit freier Software kein Geld verdienen kann - auf der anderen Seite die Hippies, die, wenn sie sich nicht gerade an Schienen ketten lassen, in Baumhäusern leben. Gerade zum Abbau dieser Vorurteile eignen sich Konferenzen wie die Bits & Bäume ja wohl hervorragend!

Umso erfreuter war ich als die Konferenz dann näher kam. Im folgenden Text verwende ich übrigens die Bezeichnungen „Ökos“ und „Techies“, weil sie kurz und prägnant sind und immer wieder mal am Wochenende gefallen sind :)

Eindrücke

Nachdem der erste Eindruck „kalt“, den Berlin bei mir hinterlassen hat, sich im Foyer legte, erhielt ich mein grünes Teilnahme-Bändchen und ging weiter in den hinteren Teil. Die Entscheidung, welchen Programmpunkt man als nächstes besucht, war gar nicht so einfach. Das Programm gab viel her - bei fünf Vortragssälen und sieben Workshop-Räumen kein Wunder!

Die Menschen vor Ort waren bunt verteilt, es war gerade Pause und Essensausgabe. Erst nach einiger Zeit fand ich die Tür, durch welche man zum Forum kam, in dem der Lichthof mit Ständen von Organisationen und Kunstinstallationen wartete. Hier erreichte man auch die Vortragssäle (mit Namen nach Programmiersprachen) und Workshops (mit Namen nach Bäumen).

Beim Schreiten durch die Gänge und Räume fiel mir auf, dass ich gefühlt mehr Ökos als Techies wahrnahm. Ich kann mich natürlich irren, da man die Hintergründe nicht am Aussehen festmachen sollte. Bin da wohl leider etwas gefärbt durch meine Erfahrungen. Eine Feststellung, die meinen Eindruck jedoch verstärkte, war, dass ich sehr wenig Techies aus Dresden getroffen habe - im Vergleich zu Menschen aus der Umwelt-Ecke. Sehr schade! Naja, am Ende hätte auch ich wohl mehr für die Veranstaltung werben müssen.

Nach den diversen Workshops und Talks musste ich erstmal Pause machen und meine Notizen sortieren. Hier war die Programmaufteilung sehr entspannt, da zwischen den Slots einige Pausen eingeplant waren. Manche Events waren sehr voll, andere hatten noch Platz über. Generell empfand ich die Atmosphäre, gerade bei Diskussionen in den Workshops, als sehr lebendig. Die Menschen, mit denen ich mich unterhielt und kontrovers diskutierte, empfand ich durchweg als (ebenfalls) sehr interessiert am regen Austausch. Ich habe mich ab und an auch gefreut, wenn ich aus der Perspektive eines ITlers etwas Fachwissen in die Runde geben konnte :)

Als Student konnte ich das lokale Eduroam nutzen, daher kann ich zur Netzabdeckung aus Sicht eines Besuchers nur positives berichten. Allerdings muss man hinzufügen, dass die BuB - im Vergleich zum Congress z. B. - nicht unbedingt dazu einlädt, sich irgendwo mal länger niederzulassen. Auf Grund der Länge der Konferenz ist dies aber auch nicht unbedingt notwendig. Pluspunkt war auf jeden Fall die Tee- und Kaffee-Ausgabe am ganzen Tag.

Insgesamt habe ich am Sonntag mit einem vollen Kopf, aber vieler neuer Motivation Berlin wieder verlassen. Ich hoffe sehr, dass es ähnliche Austauschmöglichkeiten auch in Zukunft geben wird. Dass beide Szenen mehr voneinander lernen und wir zusammen mit anderen Gruppen (Industrie, Wirtschaft, Bund, EU) umfassendere und nachhaltigere Konzepte entwickeln und umsetzen. Die digitale Revolution („Digitalisierung“) hat sich bereits jetzt von einem IT-Thema zu einer Gesellschaftsdebatte ausgedehnt, kein Ende in Sicht!

Empfehlungen

Es wird noch eine Weile dauern, bis ich meine Liste von Talks abgearbeitet habe, vielleicht kommt dazu an dieser Stelle dann ein Update. Was ich aber nochmal der Übersicht halber wiederholen kann, sind die Themen-Tracks, in denen die Talks, Workshops und Panels organisiert waren - zusammen mit einigen Stichworten aus dem Programm:

  • Alternatives Wirtschaften: freie Software, nachhaltige Geschäftsmodelle, Plattformen, Infrastruktur
  • Daten & Umwelt: Energiewende, Feinstaubsensoren, mit Daten die Umwelt gestalten
  • Die ganz großen Fragen: viele Fragen zur „Digitalisierung“, BGE, SDGs der UN
  • Die materielle Basis: Rohstoffe und Ressourcenverbrauch, Recycling, Energieeffizienz
  • Digitaler Kapitalismus: Monopole und Konzerne, Automatisierung
  • Stadt – Land – Smart: Praktisch orientiert, Smarte Dinge, Programmieren mit R
  • Zivilgesellschaft & Communities: Vernetzung, Bewegungen, Aktionen

Zum Teasern hier mal ein paar Empfehlungen an Talks, die man sich über media.ccc.de anschauen kann:

Die Idee, Software nicht nur im Sinne der Performance und sinnvoller APIs, sondern auch hinsichtlich des Energieverbrauchs effizienter zu gestalten, hat mich ehrlich gesagt etwas angefixt. Wenn ich mit Go oder sogar C am Netzwerk bastle, kommt es ja auf jeden Bit an. Arbeite ich allerdings mit Python und Datenbanken setzt da irgendwo was aus. Und vom Machine Learning auf GPUs will ich gar nicht erst anfangen. Glücklicherweise spielt meine Vorliebe für Webseiten-Minimalismus und die Wahl meines Hosters positiv in die bisherige Bilanz.

Mein Schwerpunkt lag dieses Jahr auf Workshops, da diese super zum Austausch dienen (und auch im Nachhinein nicht mehr einsehbar sind). Themenschwerpunkte waren u. a. Plattformen und Monopole, nachhaltige Geschäftsmodelle und z. B. die digitale Revolution im Kontext der Sustainable Development Goals (SDGs) der United Nations. Klar, habe mich jetzt nicht mit Ruhm bekleckert, mal meine üblichen Themengebiete zu verlassen. Aber zu Themen, die ich sonst nur aus einer technischen Perspektive betrachten kann, die Sichtweise von Nicht-Techies zu kriegen, ist ebenfalls ein immens wertvoller Input gewesen.

Dogmatischer Einwurf: an dieser Stelle kann ich nur nochmal wiederholen, wie wichtig es sein wird, dass die Europäische Digital-Industrie ihren Markenkern rund um selbstproduzierte, effiziente Hardware und Verbraucherschutz-freundliche Software definieren muss, um auf dem globalen Markt mithalten zu können. Auch auf der BuB hat sich mir der Eindruck bestätigt, dass Datenschutz und freie Software relativ alternativlos sein werden, sollte Europa anstreben, ein gewichtiger und vor allem eigenständiger Player auf dem digitalen Markt zu werden (klar, die Menschen auf einer solchen Konferenz denken wahrscheinlich ähnlich wie ich, Diskurs sehr willkommen!).

Mein Talk-Proposal

Ursprünglich hatte ich sogar einen eigenen Talk eingereicht, dieser wurde jedoch leider nicht ins Programm aufgenommen. Da ich weiter unten nochmal auf den Punkt „mehr Tech-Talks“ eingehe, möchte ich an dieser Stelle meine Einreichung noch zu Protokoll geben, bevor sie im frab verschwindet. Ich muss im Nachhinein gestehen, dass ich den Text am Tag der Deadline einreichte und gerne mehr daran gefeilt hätte. Vielleicht schafft er es ja nächstes Mal ins Programm!

Abstract: Digitale Infrastruktur ist mehr als Hardware. Infrastruktur umfasst auch die Software, mit Hilfe derer wir kommunizieren, Wissen austauschen und Daten verarbeiten. In diesem Vortrag werden die beiden Welten miteinander vereint, kurz beleuchtet und anschließend Alternativen abgewogen. Wie können wir Hardware effizienter nutzen? Wie kann Software nachhaltiger und gemeinschaftlicher gestaltet werden?

Beschreibung: Wenn von Infrastruktur die Rede ist, kommt möglicherweise zuerst das Bild einer Straße in den Sinn. Im Kontext der „Digitalisierung“ reden wir häufig über „Breitbandausbau“ und „Glasfasernetze“. Aber die Infrastruktur der digitalen Gesellschaft ist mehr als nur Hardware wie Rechenzentren, Server und Kabelnetze. Für den Austausch von Ideen, Wissen und Code braucht es auch Software. Wie könnte ich z. B. eine E-Mail schreiben, wenn kein Computer im Netz weiß, was E-Mails sind?
Jedoch: viele der heute eingesetzten Technologien und Konventionen sind mittlerweile in die Jahre gekommen und benötigen ein Update, um an neue Anforderungen wie erneuerbare Energien, skalierbaren Bedarf und einfache Wartung angepasst zu werden. Der Vortrag soll Alternativen aufzeigen und motivieren, Infrastruktur aus anderen Perspektiven zu sehen. Hierzu werden Beispiele von dynamisch skalierenden, verteilten Serversystemen als auch der offenen Entwicklung freier Software zur Veranschaulichung herangezogen.
Obwohl das Thema sehr technisch ist bzw. klingt, werden wir Acht geben, technische Details zu erläutern oder ggf. ganz außen vor zu lassen.

Ausblick und Wünsche für 2019

Insgesamt empfand ich die Bits & Bäume 2018 als eine sehr gelungene Veranstaltung und ich bin weiterhin sehr erfreut darüber, dass diese beiden Szenen endlich zueinander gefunden haben. Die Menge an Input wird mich noch eine Weile beschäftigen. Schade, dass es keinen Slot für Lightning Talks gab!

Ein paar organisatorische Punkte hatte ich mir noch notiert:

Programm: vollgepackt. Vielleicht wäre es besser, Freitag Abend anzufangen und dann Samstag und Sonntag die vollen Tage zu füllen? Oder „Mut zur Reduktion“, wie im Abschlusspanel genannt. Da absehbar ist, dass die beiden Szenen in Zukunft stärker zusammen arbeiten wollen (müssen?), verteilen sich ähnliche Formate eventuell über das Jahr, so dass man bei der BuB gezielter auf große Themen und Workshops zu diesen eingehen könnte.

Themen: Ich nahm an einigen Stellen mit, dass Ökos gerne mehr Input von Techies hätten, um technische Sachverständnis hinter „Digitalisierung“, „Datenschutz“ und „Plattformen“ zu erlernen. Was genau passiert bei der Verwendung einer App? Wie wird die Infrastruktur organisiert und wo könnte im Sinne des Datenschutzes und der Energieeffizienz angesetzt werden? Vermutlich wären hier konkrete Tech-Talks mit leichtem Einstieg hilfreich. Siehe Talk-Proposal.

Ort: Das Gebäude ist bei erstmaligem Besuch unübersichtlich. Die Erweiterung der Beschilderung am Sonntag hat da schon einiges geholfen, beim nächsten Mal ist die Sache wahrscheinlich auch kein Ding mehr. Vorschläge zur Verbesserung: die Tür zwischen Eingangsbereich und Forum ständig geöffnet halten (Bottleneck), Workshop-Räume mit ein bisschen Akustik-Dämmung ausstatten (gegenseitiges Verstehen schwierig, Rein-Raus von Menschen überschallt die Diskussion) und mehr Sitzgelegenheiten beim Essen (Treppe teilweise 3/4 blockiert). Essen in der Mensa? Oder Ausgabe in einem der Räume?

Begegnung: die Namensschildchen sind nicht wirklich angepriesen worden, so dass ich erst viel zu spät eines anklebte. Man könnte damit ja weiter experimentieren, z. B. mit Farben ausdrücken, aus welcher Szene man ursprünglich kommt. Kann natürlich falsch interpretiert werden und Gruppierung fördern - fände ich aber hilfreich, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie das Interessenverhältnis in der Runde vertreten ist (dazu auch was im Abschnitt Eindrücke).

Zu guter Letzt kann ich allen für 2019 nur empfehlen bereits am Freitag nach Berlin zu reisen. Die Bahn-Verbindung, die uns Samstag früh nach Berlin bringen sollte, hatte zwei Stunden Verspätung und hat demnach nicht nur die ersten Talks und Workshops, sondern auch jede Menge Nerven gekostet. Dafür sind die paar Stunden zu schade…

Mit dem Hinweis auf die Evaluation schließe ich diesen Rückblick. Danke für die Organisation und Teilnahme! Freue mich schon jetzt auf die Bits & Bäume 2019!

Weiterlesen: die Ergebnisse des Wochenendes formuliert als elf Forderungen nach Abschluss der Konferenz.

Quelle der Open Graph-Grafik: bits-und-baeume.org